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CHRISTOPH M. LOOS

nulla dies sine linea

Ein fortlaufendes Projekt: An jedem Tag des Jahres entsteht eine Blind-Zeichnung.


Beispielhaft sei auf die Ausstellung „Nicht will ich, Die Bilder dir stürmen“ verwiesen:
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Rezension

Bonner General-Anzeiger: Samstag/Sonntag 28. Feb./1. März 2009

Die Königsdisziplin der Kunst

Michelangelo und Menzel haben es beherzigt, der antike Maler Apelles soll es, glaubt man der Überlieferung des Plinius, erstmals formuliert haben: „Nulla dies sine linea“, die Aufforderung, kein Tag möge ohne Zeichnung vergehen. Das war nicht nur dem Zwang zur Übung geschuldet, sondern könnte auch als Hinweis auf die Stellung der Zeichnung als Königsdisziplin der Kunst interpretiert werden. Der Bonner Christoph Loos reiht sich nun mit einem ehrgeizigen Projekt in die Gilde der fleißigen Zeichner ein. Tag für Tag zeichnete er – mit verschlossenen Augen (und Ohren) – ein Bild.

Das Ergebnis lässt sich unter dem Titel „Nicht will ich, Die Bilder dir stürmen“ im Kunstkabinett Martin Hennig bewundern. Zu sehen sind auf mehreren Ebenen in der Galerie verteilt Dutzende von „Blindzeichnungen“, deren Spektrum von einer fast analytischen, tastenden, den Rand oder die Diagonale entlang führenden Erkundung des Formats bis zur mutigen, emotionalen Setzung reicht.

Das gezeichnete „Tagebuch“ lässt eher spielerische oder leichte Phasen erkennen und solche, die vom dicken Strich, von der kräftigen Geste geprägt sind. Es würde sicherlich zu weit führen, hier Stimmungsschwankungen oder konkrete Befindlichkeiten ablesen zu wollen – Loos geht durchaus mit kühlem Kopf und dem Versuch, eine Grammatik der Zeichnung zu entwickeln, ans Werk.

Dabei führt er auch einfache Figuren und Zeichen ein, schafft Gliederungselemente, lässt organische Formen entstehen, bewegt sich aber hauptsächlich auf einer abstrakten, mehrdeutigen Ebene. Die Ausstellung im Kunstkabinett eröffnet die Gelegenheit, eine neue Facette des zuletzt mit „Nanna-Paradox“ im Rheinischen Landesmuseum (2006) in Bonn präsentierten Zeichners, Malers, Bildhauers und Thuar-Preisträgers zu entdecken, der in den letzten Jahren durch Gastprofessuren an der Yale University (USA), am Arts lnstitute at Bournemouth (England) und an der Accademia di Belle Arti di Brera in Mailand international unterwegs war.

Thomas Kliemann

Kunstkabinett Hans Martin Hennig, Argelanderstraße 79 (Hinterhaus);
bis 4. April 2009. Fr–Sa 16–19 Uhr.